Montag, 3. Dezember 2012

Intelligenz oder Effort loben?

"Do bisch jo supper gschiit gsi!" oder "Do häsch di abr mega aagschträngt!"?

Po Bronson macht in seinem Artikel "How Not to Talk to Your Kids" (englisch) auf nymag.com auf den feinen Unterschied aufmerksam: gemäss seinen erwähnten Studien motiviert das Loben für eine Anstrengung mehr, als das Loben von Intelligenz.

Und, gemäss dasgehirn.info, motiviert uns schon die realistische Aussicht, Ziele zu erreichen bzw. auf Erfolg.

Ich übersetze dass dann für mich z.B. in "Schritt für Schritt verbessern", "die Kinder bei ihren unterschiedlichen Kompetenzständen abholen" oder auch "die Umgebung attraktiv gestalten". Und so sind wir dann auch wieder ganz schnell bei Maria Montessori oder Maria Aarts und viele andere, welche diese Art "aus dem Bauch heraus" entdeckt und angewendet haben.

Als Moderator auf der Bewegungsbaustelle würde dann wohl der ideale Motivationssatz lauten: "Hey, cool. Jetzt häsch dii so fäscht agschträngt, dass ändlich übär dia Latta überi kho bisch!". Mmh, jetzt kann ich also zu Hause noch ein halbes Jahr diese Art zu Loben üben - bis zur nächsten Bewegungsbaustelle im Sommer.

Montag, 19. November 2012

1%

Auf dem Weg von ein paar Brettern hin zu einer ausgebauten und im Curricula vom GZ Schindlergut gut integrierten Bewegungsbaustelle, zählte ich viele Motivationsmomente. In der letzten Woche ist ein weiterer dazugekommen: es sieht nun so aus, dass ich im nächsten Jahr das erste Mal Geld damit verdiene. Ich nehms als Anerkennung für meine Aufbauarbeit und einen leisen Hinweis mit der Bewegungsbaustelle weiterzumachen. (Gemäss Karl E. Weick finde ich im Nachinhein ja aber eh immer nur die Sachen, die meine Entscheidung untermauern.)

Interessant ist die Ausgestaltung des Vertrags als 1%-Stelle. Das wären übers Jahr also etwa 20 Arbeitsstunden - bei total 2088 Stunden Jahresarbeitszeit für einen 100%-Angestellten. Und wenn ich dann von einer Jahresstundenzahl von 8760 Stunden für das nächste Jahr ausgehe, investiere ich (formell) 0.024% meines ganzen nächsten Jahres für die Bewegungsbaustelle.

Neben der obsoleten Frage, ob diese Zeit für die Bewegungsbaustelle reicht, nimmt mich vor allem auch Wunder, was ich während den restlichen 8739 Stunden anstelle.

Dienstag, 13. November 2012

Zu Gast beim kihz Bülachhof oder Was ist eine Bewegungsbaustelle?

Am letzten Freitag folgte ich der Einladung von Kerstin und war zu Gast am kihz Bülachhof. Aufgrund ihres aktuellen Q-Themas "Bewegung" zeigte ich meine Erfahrungen mit der Bewegungsbaustelle und wir diskutierten zusammen mit den Gruppenleiterinnen mögliche nächste Schritte. Zur Vorbereitung nahm ich auch wieder einmal das sehr empfehlenswerte Buch "Die neue Bewegungsbaustelle" (z.B. bei Amazon) von Klaus Miedzinski zur Hand, wo jedes erneute Lesen einen Lernschub bringt. Eine gute Einführung findet sich bei "100 Bewegungsbaustellen für Berlin" (pdf).

Anhand von Videoaufnahmen führte ich durch die Sitzung, mit den drei Themen Betrieb, Material und "Startup". Und bereits in den vier 1-minütigen Filmen wurden die Eckpunkte einer Bewegungsbaustelle sicht-,hör- und miterlebbar:

Das zweite Thema widmete sich dem Material, dem Platz. Meine Erfahrung ist, dass das Aufwendigste bezüglich Material, das Suchen und Transportieren von potenziellen Bauteilen ist. Hier bietet sich der Einbezug von Eltern an, ebenso beim Aufbereiten der Bauteile.
Eine größere Hürde beim Bülachhof ist der vorgesehene Platz: dieser besteht hauptsächlich aus einem großen Rasenhügel. Wobei die Kreativität der kleinen Rabauken sicher kein Problem sein würde ...

Nun ja, wo und wann soll man denn mit einer Bewegungsbaustelle anfangen? Meine Erfahrung ist, dass klein auch "oho" sein kann. Die Kinder sind dankbar um jedes Bauteil, welches sie zum Bauen und Konstruieren anregt. Da reichen meist schon ein paar Bretter mit Autoreifen. Mit der Zeit ergeben sich durch neue Bauteile neue Möglichkeiten, neue Ideen. Und jede Bewegungsbaustelle entwickelt sich weiter, zu einem ureigenen Unikum.

Auf alle Fälle bin ich begeistert von diesen vielen Ideen, welche innert einer Stunde von der Leiterin und den Gruppenleiterinnen zusammen getragen wurden und ich wünsche allen ein gutes Gelingen!


Wann fangen alle andern mit einer Bewegungsbaustelle an?

Montag, 1. Oktober 2012

Wertloser Wert

Als ich anfangs 2010 Material für die Bewegungsbaustelle suchte, war mir klar, dass ich nichts (oder nur sehr begrenzt) kaufen wollte. Einerseits ist eine Bewegungsbaustelle unter freiem Himmel immer etwas Provisorisches, sich Veränderndes, Fliessendes - beispielweise durch Verlust, Abnutzung. Andererseits bietet "unpassendes" Material sehr viel mehr Möglichkeiten fürs Entwickeln, fürs Bauen und für Sinneserfahrungen. Aber so ganz erklären, kann ich es mir nicht.

Dennoch ist für mich in den letzten beiden Jahren das Material der Bewegungsbaustelle immer wertvoller geworden. Und wenn ich den Kindern beim Bauen, Springen, Balancieren, Diskutieren zusehe, erkenne ich auch bei ihnen eine hohe Wertschätzung gegenüber diesem "wertlosem" Material.

Wert und Wert ist offensichtlich nicht das Gleiche? Einerseits weist Wert einer Sache einen Preis zu, beispielsweise kostet 1 Kilo Weissbrot CHF 4.20. Andererseits schreibt Wert, vielleicht sogar im Sinne von Wertschätzung, einer Sache einen Status und eine positive Eigenschaft zu; so ist die vererbte Uhr des Urgrossvaters bedeutungs- und dadurch wertvoll.

Wir können auch sehen, dass der Preis (meist) objektiv ist (oder die Summe von subjektiven Statuszuschreibungen, z.B. Aktien); die positive Eigenschaft, die wir einer Sache zuschreiben, ist aber meist nur individuell wertvoll. Ist der Status also eine Frage der Perspektive? Kinder in diesem Alter fangen in diesem Alter erst an, ein gewisses Zahlen- und Preisverständnis zu lernen. Meistens schreiben sie Sachen eine positive Eigenschaft zu, aber keinen Preis - im negativen Sinn, machen sie möglicherweise die, aus unserer Sicht "teuren" Sachen kaputt.

Können wir den Spiess nicht aber auch umdrehen? Können wir aus der Sicht von Kindern etwas lernen? Sollten wir auch mehr auf den positiven Status einer Sache schauen, weniger auf den Preis? Sollten wir achtsamer im Alltag gegenüber billigen und dennoch wertgeschätzten Dingen sein?

Und, hast du bereits soetwas entdeckt? Vielleicht findest du etwas im Garten oder auf dem Estrich? Und vielleicht sogar das eine oder ander Teil, welches du der Bewegungsbaustelle vermachen kannst?

Und sei dir versichert, bei uns wird aus Wertlosem bestimmt wieder etwas Wertvolles.


Weitere Ideen zu Wert:
- http://www.nzz.ch/aktuell/digital/83-millionen-facebook-konten-sind-wertlos-1.17427737
- http://de.wiktionary.org/wiki/Wert

Samstag, 15. September 2012

Lernen auf der Kronenwiese

Letzten Sonntag organisierte das GZ Schindlergut ein Spielfest unter dem Motto "Spiele der Welt". Zu Besuch war auch die Bewegungsbaustelle - eingeklemmt zwischen Geschichtenzelt, afghanischer Pizza und Komposthaufen. Kleine und grosse Gäste hatte ich trotzdem, welche vor allem auch das erste Mal die Bobinen (Kabelrollen) und Röhren (Drainageröhren) ausprobieren konnten. Die Bauten stiegen diesmal vor allem bei den älteren Kindern in wacklige Höhen und standen dem nahen Prime Tower (wenigstens in der Höhe) in nichts nach.

Die Höhe und das Wacklige sind genau auch der Grund wieso die Bewegungsbaustelle bei den Kindern und Jugendlichen so gut ankommt: "Schaffe ich das?", "Kann ich noch einen Reifen drauflegen?", "Jetzt müssen wir noch höher kommen!". Aber wohl auch der Grund, wo Eltern regelmässig reagieren und eingreifen: "Dieser Aufbau ist aber schon gefährlich?", "Komm, ich halte dich!", "Schau, das ist nichts für dich, du bist noch zu jung!". Diese berechtigte Sorge um das Wohl des Kindes, kreuzt sich mit den Ideen der Bewegungsbaustelle, sowie anderen Studien und Merkblättern, auf eigenständiges Bewegungsausprobieren. Als Betreiber der Bewegungsbaustelle ist es mir ein gewichtiges Anliegen, damit in der Sicherheit und Unfallprävention einen Beitrag zu leisten.

Aus meiner Erfahrung funktioniert die Bewegungsbaustelle am besten, wenn die Kinder sie selber ausprobieren dürfen. Kinder erkennen bestens, wie weit sie ihre Grenzen ausloten können und wo sie besser noch auf eine nächste Gelegenheit warten sollen. Eltern und Aufsichtspersonen halten sich zurück, solange Anleitung und Hilfe nicht explizit angefragt wird oder probieren und bauen als Vorbild selber etwas. Bis jetzt musste ich die Kinder eigentlich nie anleiten, sondern eher ermuntern, "doch, ihr dürft alles verändern". Kinder entwickeln in der kurzen Zeit auf der Bewegungsbaustelle zuerst ein Gefühl für Bewegung und Material mit dem Bestehenden; dann ergründen sie über Umbau und Umschichten des Materials Neues und Unbekanntes. Ein Zeichen für eine gut laufende Bewegungsbaustelle ist denn auch, wenn sich keine Eltern/Aufsichtpersonen darin aufhalten. Mehr von diesen schönen Momenten zu erleben, ist ein Ziel von mir. Und die Frage dreht sich dabei eher darum, mit welcher Haltung Eltern und Aufsichtspersonen den Kindern auf der Bewegungsbaustelle begegnen sollen.

Für dieses Mal, kann ich sagen, dass die Kinder bestimmt etwas gelernt haben, und kleine und grosse Erfolge gefeiert haben. Was die Eltern gelernt und in ihren Kindern Neues entdeckt haben, kann ich (bis jetzt) nur vermuten. Ich selber habe auch viel gelernt. Einen Punkt möchte ich fürs nächste Mal konkret einbringen, nämlich die Sicherheit noch stärker in den Mittelpunkt zu stellen: Eltern persönlich einführen, Flyer für Eltern erstellen, Kinderzone spielerisch und visuell bezeichnen, genügend Platz bzw. weniger Material zur Verfügung stellen, eine Altersbegrenzung von 3-10 Jahren einführen.

Ich freue mich bereits auf die nächste Bewegungsbaustelle, die nächste Spielerfahrung und den nächsten Lernerfolg. Gemeinsam mit Eltern und Kindern.


Vorschlag zum Flyer "Aufsichtspersonen/Eltern und Bewegungsbaustelle"
Die Bewegungsbaustelle soll Kindern in einem geschützten Rahmen Bewegungsraum und -zeit schaffen. Sie fördert so die Grobmotorik bei Kindern und möchte einen Beitrag zur altergerechten Unfallprävention leisten.

Was kann ihr Kind durch die Bewegugnsbaustelle lernen:
- Initative ergreifen, Handlungsalternativen erkennen und Beharrlichkeit entwickeln
- an eigene Grenzen gehen, Risiko einschätzen, Herausforderungen suchen, Körpergefühl weiter schärfen
- Kooperieren, Hilfe anfordern, Sozialverhalten aufbauen
- Bau- und Designerfahrungen kennenlernen

Was macht die Bewegungsbaustelle in Bezug auf Sicherheit:
- das einzelne Material ist genügend stabil für Kinder, die Kinder schätzen die Materialien robust ein
- alle Materialien sind geschliffen und imprägniert
- kaputte Sachen haben nichts auf der Bewegungsbaustelle zu suchen
- genügend Platz vorhanden
- Kinder haben (feste) Schuhe an
- noch keine (schweren) Verletzungen erlebt

Wie sehen Kinder die Bewegungsbaustelle:
- Welche Sicherheitsvorstellungen haben sie als Eltern, welche ihr Kind?
- Wann hat ihr Kind Erfolg, wie reagiert ihr Kind auf Erfolg?
- Wie reagiert ihr Kind auf einen Sturz?
- Wie reagiert ihr Kind, wenn es auf Anhieb etwas nicht schafft?
- Welche Heraufsforderungen sucht ihr Kind momentan, woran versucht es sich?
- Neben all den Risiken, welche Chancen sehen sie für sich selbst, welche für ihr Kind?

Wie verhalte ich mich am besten als Eltern/Aufsichtsperson gegenüber Kindern auf der Bewegungsbaustelle:
- möglichst ohne Eingriff von Eltern/Aufsichtspersonen - die Kinder erkennen meistens am besten wie hoch/weit/wacklig sie gehen wollen
- Aufsichtspersonen/Eltern sind anbei, um Hilfestellung auf Anfrage zu geben, um Erfolge mitzuteilen und behutsam zu motivieren
- Eltern sollen als Vorbild dienen - mitmachen, anleiten, ausprobieren
- Pausen sind wichtig, dazu gibts aber andere Orte als die Bewegungsbaustelle


Zum Weiterlesen:
- "Zwischen Sicherheit und Risiko", Bundesamt für Unfälle : http://www.bfu.ch/PDFLib/1734_105.pdf
- "Messlatte zur Sturzpräventation", BAG Mehr Sicherheit für Kinder: http://www.kindersicherheit.de/html/massband-flash.html (v.a. Alter 3-10 Jahre)
- "Sicherheit", bewegungsbaustelle.eu: http://www.bewegungsbaustelle.eu/sicherheit.htm